Rudolf Kahlfeld: Erneute Replik (Bewertungskriterien für Sachakten)  

Ein Fehler wird m.E. nicht dadurch richtig, dass auch Andere ihn begehen. Ich wehre mich dagegen, dass quasi "Archivgut erster und zweiter Klasse" entsteht und dies sich mehr und mehr auch im "theoretischen Überbau" einschleicht.

Die Regelungen des Bundesarchivs sind mir nicht en detail bekannt. Der von Kollege Koppetsch zitierte Satz "Die Akten sind in einem solch schlechten Erhaltungszustand, dass der Restaurierungs- und Konservierungaufwand in keinem Verhältnis zu deren Archivwert steht" muss also analysiert werden. Der Archivwert wird unterstellt, also ist von archivwürdigem Material, von Archivgut, auszugehen. Das Bundesarchivgesetz (nach von Klaus Oldenhage kommentiertem Abdruck im Archivar Jg. 41, 1988, H. 4, Spalte 477ff., hier Spalte 479) beinhaltet in § 1 die Formulierung "Das Archivgut des Bundes ist durch das Bundesarchiv auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten". Die Erläuterung hierzu spricht ausdrücklich davon, dass Archivgut "gegen körperlichen Verfall konservatorisch und restauratorisch zu sichern" ist. Das Landesarchivgesetz NRW (Textabdruck u.a. in: Archivgesetzgebung und PC im Archiv, Archivheft 21, Köln 1989) beinhaltet in § 1 Abs. I die Verpflichtung der Archive, Unterlagen zu bewerten und "die als archivwürdig erkannten Teile als Archivgut zu übernehmen, zu verwahren und zu ergänzen, zu erhalten und instand zu setzen...". Leider gibt es immer noch keinen Kommentar zu diesem Gesetz, aber alleine aus der Reihenfolge der Bestimmungen ergibt sich, dass zunächst die Bewertung zu erfolgen hat und daran anschließend die körperliche Sicherung des Bewerteten erfolgt.

Sollte eine juristische Überprüfung des Kassationsgrundes "Restaurierung bzw. Konservierung zu teuer" erfolgen und zu dem Ergebnis kommen, dass kein Verstoss gegen die Archivgesetze vorliegt, so wäre diese Vorgabe dennoch ein Bärendienst; man begänne, den mit den Gesetzen mühsam erkämpften Status auszuhöhlen.

Mein Veto erhalte ich also aufrecht.

Aus gegebenem Anlass habe ich mir das Schema noch einmal angeschaut und möglicherweise einen weiteren Vetogrund gefunden, nämlich dass eine Akte archivwürdig sein kann, wenn "sie aus juristischen Gründen aufzubewahren ist". Dieser Satz ist in dieser Verknüpfung eigentlich wertlos, da auch Kassenbelege aus gesetzlichen Gründen aufzubewahren sind, die Masse aber halt nur 10 Jahre nach Erteilung der Entlastung. Teile der Kassenbelege sind aber aus gesetzlichen Gründen unbefristet aufzubewahren, sind also de facto Archivgut, ohne der Bewertungskompetenz zu unterliegen. Geprägt von beruflicher Erfahrung in einem Kommunalarchiv: die an sich unverbindlichen Empfehlungen der KGSt sehen für eine Vielzahl von Positionen die Aufbewahrungsfrist "D" für "dauernd" vor und das Archiv tut gut daran, sich an diese Vorgaben zu halten.